Kindeswille versus Kindeswohl?
Das Paradoxon von sich möglicherweise widersprechendem Kindeswillen und Kindeswohl ist vom Verfahrensvertreter als solches darzulegen, d.h., er verleiht zwar dem Kindeswillen Ausdruck, reflektiert aber auch offen die objektiven Kindesinteressen. Sich allein den vom Kind geäusserten Willen als Handlungsziel zugrunde zu legen, greift eben so zu kurz wie die fehlende Rücksicht darauf. Kindeswille und die aus Sicht des Vertreters massgeblichen Entscheidungskriterien zur Wahrung des Kindeswohls sind der entscheidenden Behörde offen darzulegen (zitiert nach «Kindesvertretung im behördlichen Kindesschutzverfahren», Kurt Affolter, 2011).
Das Kindeswohl berücksichtigt die Interessen des Kindes, ist aber auch immer gebunden an die gesellschaftlichen Erwartungen und Normvorstellungen. Dies stellt die Kindesvertretung insbesondere bei Familien mit Migrationshintergrund vor grosse Herausforderungen.
Bei entsprechenden Verantwortungskonflikten können Rangordnungen von ethischen Prinzipien Entscheidungshilfen darstellen. Loewenberg und Dolgoff (1996) empfehlen folgendes Vorgehen bei der Entscheidung ob Zwangsmassnahmen ethisch legitim sind:
- Schutz des Lebens
- Verhinderung dauerhafter Schädigung
- Recht auf Selbstbestimmung
- Geringster Eingriff mit grösstmöglicher Revidierbarkeit
- Unterstützung der Schwächeren
- Verbesserung der Lebensbewältigung und der Lebensbedingungen
- Vertraulichkeit und Verschwiegenheit
- Wahrhaftigkeit und Vollständigkeit der Informationsvermittlung